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Auszug aus einem Vortrag von Rudolf Steiner ( GA 126):

Da ist es recht interessant, gerade die Kulturaufgabe des babylonischen Volkes einmal ins Auge zu fassen. 0 dieses babylonische Volk, selbst dem äusseren Geschichtsschreiber hat es merkwürdige Rätsel aufgegeben in dem letzten Jahrhundert durch die Entzifferung der Keilschrift. Und auch das, was nur äusserlich hat erkundet werden können, ist schon im höchsten Grade merkwürdig. Denn der äussere Forscher kann heute sagen: Das, was man früher Geschichte genannt hat, das hat sich fast verdoppelt in bezug auf die Zeit durch das, was man mit der Entzifferung der Keilschrift gelernt hat. Schon die äussere Geschichtsforschung sieht an der Hand äusserer Urkunden förmlich zurück auf fünf- bis sechstausend Jahre vor der christlichen Zeitrechnung und kann sagen: In dieser ganzen Zeit war in den Gegenden, in denen später die Babylonier, die Assyrer wirkten, eine mächtige, eine bedeutungsvolle Kultur vorhanden. Da finden wir vor allen Dingen in den ältesten Zeiten ein höchst merkwürdiges Volk, Sumerer wird es in der Geschichte genannt, und sein Wohnsitz war in den Gegenden des Euphrat und Tigris, mehr in den oberen Partien, aber auch gegen den unteren Lauf zu. Wir können, weil wir dazu die Zeit nicht haben, hier nicht so sehr auf die äusseren geschichtlichen Urkunden eingehen, wir müssen uns mehr mit dem beschäftigen, was die okkulte Geschichte uns lehren kann.

Dieses Volk, es gehörte mit allem, was es denken und geistig schaffen konnte, und auch mit dem, was es äusserlich wirkte, einer verhältnismässig sehr frühen Kulturstufe der nachatlantischen Entwicklung an. Und je weiter wir zurückgehen in der Geschichte der Sumerer, die wir als die Vorbabylonier bezeichnen könnten, desto mehr wird uns klar, dass innerhalb dieses Volkes hochbedeutsame geistige Überlieferungen lebten, dass eine bedeutungsvolle spirituelle Weisheit vorhanden war, eine Weisheit, die wir etwa so charakterisieren können, dass wir sagen: Die ganze Art des Lebens, die ganze Art nicht allein zu denken, sondern überhaupt zu leben in der Seele und im Geiste, war bei diesem Volk eine ganz andere als bei den späteren Menschen der Weltgeschichte. Für Menschen der späteren Weltgeschichte stellte es sich zum Beispiel überall heraus, dass ein gewisser Abstand ist zwischen dem Gedachten und dem Gesprochenen. Wer sollte heute nicht wissen, dass Denken und Sprechen doch zwei ganz verschiedene Dinge sind, dass die Sprache in gewisser Beziehung in konventionellen Ausdrucksmitteln für das besteht, was die Menschen denken. Das geht schon daraus hervor, dass wir eben viele Sprachen haben und im Grunde genommen doch eine grosse Anzahl gemeinsamer Vorstellungen in diesen verschiedenen Sprachen der Erde zum Ausdruck bringen. Also es ist ein gewisser Zwischenraum zwischen dem Denken und dem Sprechen vorhanden. So war es bei diesem alten Volke eigentlich nicht, sondern es hatte eine Sprache, die im Grunde genommen zur Seele ganz anders stand als alle späteren Sprachen. Namentlich wenn wir in recht alte Zeiten zurückgehen, finden wir da wirklich etwas - wenn auch nicht mehr ganz rein erhalten - wie eine Art Ursprache der Menschheit. Zwar finden wir die Sprache der einzelnen Stämme und Rassen im weitesten Umkreise Europas, Asiens und Afrikas schon in gewisser Weise differenziert; aber eine Art gemeinsamen Sprachelements, das auf dem ganzen damals bekannten Erdkreis, namentlich von dem tieferen geistigen Menschen, verstanden werden konnte, war gerade bei den Sumerern vorhanden. Woher kam das? Weil die Seele dieser Menschen bei dem Tone, bei dem Laute etwas ganz Bestimmtes fühlte und eindeutig ausdrücken musste, was bei irgendeinem Gedanken und zu gleicher Zeit bei einem Laute gefühlt werden kann.

Sehen Sie, das, was damit gesagt worden ist, das möchte ich zunächst so ausdrücken, dass selbst noch in jenen Namen, die ich Ihnen bei der Besprechung des Gilgamesch-Epos anführen musste, selbst da noch auffällige Laute vorhanden sind: Ischtar, Ischulan und dergleichen. Wenn man diese Laute ausspricht und den Lautwert in okkulter Beziehung kennt, dann weiss man, dass im Grunde genommen das Namen sind, die keine anderen Laute enthalten können, wenn sie die betreffenden Wesenheiten bezeichnen sollen, weil sich ein U, ein J' ein A nur auf etwas ganz Bestimmtes eindeutig beziehen kann. Das eben ist ja der Fortgang der Sprache gewesen, dass die Menschen das Gefühl dafür verloren haben, wie diese Dinge, die Laute - Mitlaute, Selbstlaute - in eindeutiger Weise sich auf irgend etwas beziehen können, so dass man ein Ding in diesen alten Zeiten gar nicht anders hat bezeichnen können als mit einer ganz bestimmten Lautzusammenfügung. Ebensowenig wie wir im Grunde genommen heute, wenn wir ein Ding meinen, einen anderen Gedanken darüber in England oder in Deutschland haben können, ebensowenig hat man damals, weil man noch das unmittelbare spirituelle alte Gefühl hatte für den Laut, irgendein Ding oder Wesen anders als mit einer eindeutigen Lautzusammenfügung bezeichnen können. So dass die Sprache in alten Zeiten - und die alte sumerische Sprache hatte eben einen Nachklang dieser alten Zeiten - eine ganz bestimmte war, die einfach durch die Natur der Seele für denjenigen, der sie hörte, begreiflich war. Wenn wir so von der Sprache sprechen, müssen wir zurückweisen in die allerersten Zeiten der nachatlantischen Kulturen.

Dann aber hatte gerade das babylonische Volk die Aufgabe, diesen lebendigen spirituellen Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt herunterzuführen in das Persönliche, da wo die Persönlichkeit auf sich gestellt ist in ihrer Einzelheit, in ihrer Sonderheit. Das war die Aufgabe der Babylonier, die spirituelle Welt in den physischen Plan hinunterzuführen. Und verbunden damit ist, dass dieses lebendige Gefühl, dieses spirituelle Gefühl für die Sprache aufhört und die Sprache sich richtet nach Klima, nach geographischer Lage, nach der Volksrasse und dergleichen. Daher schildert uns die Bibel, die über diese Dinge Richtigeres erzählt als die Phantastereien des sich Sprachforscher nennenden Herrn Fritz Mauthner, daher schildert sie uns diese wichtige Tatsache in dem babylonischen Turmbau' wo alle eine gemeinsame Sprache sprechenden Menschen der Erde zerstreut werden. Auch diesen babylonischen Turmbau können wir spirituell verstehen, wenn wir wissen, wie in alten Zeiten gebaut wurde. Solche Gebäude, welche zu dem Zwecke gebaut wurden, gewisse der heiligen Weisheit gewidmete Handlungen vorzunehmen, oder welche Wahrzeichen sein sollten für die heiligen Wahrheiten, solche Gebäude wurden in alten Zeiten in den Maßen gebaut, die entweder vom Himmel oder vom Menschen genommen waren. Und das ist im Grunde genommen dasselbe; denn der Mensch ist als Mikrokosmos eine Nachbildung des Makrokosmos, so dass die Maße, welche in die Pyramide hineingeheimnisst sind, vom Himmel und vom Menschen genommen sind.

Wenn wir also in alte Zeiten zurückgehen könnten, in verhältnismässig frühe Zeiten, da würden wir bei den Kultbauten überall finden symbolische Nachahmungen der Menschen- oder Himmelsmaße. Länge, Breite und Tiefe, die Art und Weise, wie das Innere architektonisch gestaltet wurde, alles das war nachgebildet den Himmelsmaßen oder denen des menschlichen Leibes. Aber es war das eben so geschehen: Wo man ein lebendiges Bewusstsein hatte von dem Zusammenhang des Menschen mit der spirituellen Welt, da waren die Maße heruntergeholt aus der spirituellen Welt. Wie musste es denn in der Zeit werden, in welcher heruntergeführt werden sollte die menschliche Erkenntnis sozusagen vom Himmel auf die Erde? Von dem allgemeinen Spirituell-Menschlichen zu dem Menschlich-Persönlichen? Da konnten die Maße nurmehr genommen werden vom Menschen selbst, von der menschlichen Persönlichkeit, insofern sie Ausdruck ist der einzelnen Ichheit. Das aber musste der babylonische Turm werden, die Kultstätte derjenigen, die nurmehr von der Persönlichkeit die Maße hernehmen sollten. Aber zu gleicher Zeit musste gezeigt werden, dass die Persönlichkeit erst nach und nach reif werden muss, wiederum hinaufzusteigen in die geistigen Welten. Wir haben gesehen, es musste erst durch den vierten und fünften Zeitraum durchgegangen werden, um wiederum hinaufzusteigen. Damals war es nicht möglich gewesen, in die Welt der spirituellen Regionen einfach wieder hinaufzusteigen. Das ist damit gemeint, dass der babylonische Turmbau eine missglückte Sache sein musste, dass man den Himmel noch nicht mit dem erreichen konnte, was aus der menschlichen Persönlichkeit genommen werden konnte. Ungeheuer Tiefes liegt in diesem Weltsymbolum, in dem babylonischen Turmbau durch den die Menschen auf ihre einzelne menschliche Persönlichkeit beschränkt worden sind, auf das, was die Persönlichkeit in irgendeinem Volke unter einzelnen besonderen Verhältnissen werden konnte.



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