Texte von und mit Oliver



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Schriften von Oliver Preukschat:

Ironie - Warum gerade fünf? (hier erschienen)



Hier folgen nun einige Texte von Oliver und mir, die wir in den 90er-Jahren

schrieben. Wir nannten sie: ''Die Welt der Monde'':

(Bloß nicht lesen! Die Monde sind total verrückt!)



Bombe

Die Zeit des großen Durcheinanders schlug ein wie eine Bombe in die

Eierstöcke der Wissenschaft. Zu Tausenden mussten Ideen abgetrieben,

Theorien eingesargt, und Forschungsprogramme bis auf ihren Nukleus

amputiert werden. Es war die Zeit, da Wissen nur noch für teures Geld in

(kleinen) Dosen (und dann zumeist verseucht) gekauft werden konnte.



Die Stadt

Die Länge der Dauer des Schreies um halb zwölf, irgendwo in einer Stadt, die

am Rande eines Ufers gelegen haben würde, und wer wollte das so genau

schon wissen, diese Stadt hatte etwas an sich, das mit ihrem Ruf nicht zu

vereinbaren war, eine interessante Phase des Sprengens und zwischendurch

ist der Schlag umso stärker. Die Oberen waren sich einig, dass niemals etwas

Dergleiches an die Öffentlichkeit dringen dürfte, was damit einhergehen

würde, dass zum Beispiel keine Bücher geschrieben, keine Autos mehr

gefahren, und keine Maulwürfe mehr geschossen werden dürfen. Dies hatte

seinerzeit Erich gut begriffen. Die Wahrheit ist: Vieles lag dort im Argen, und

nur der Unaufmerksamkeit sonst aufgeweckter Menschen war es zu

verdanken, dass diese ruhig schlafen konnten. Ohne Alptraum allerdings war

hier ein Blumentopf der Täuschung oder Enttäuschung zu gewinnen, ein Rot,

das schillernd, pullernd, durch die offene Ader nach draußen auf den

Bodenwald und zur grünleuchtenden Lache immer dunkler werden mußte.



Herr von Eben

Als Hilde an diesem Abend nach Hause fährt, prasseln ihr Kirschen aufs

Gemüt. Der Herr von Eben, der fraktal zu ihr an die Bar herübergesattelt

kam, knistert noch in ihrem Gebälk. Was hätte sie tun sollen? Er hatte ihr

Fahrrad geklaut! Mit was war sie also unterwegs? Als sie an sich hinunter-

schaut stellt sie vier Beien fest: Not macht trügerisch. Sie wischt sich den

Kirschsaft ab, der aus ihren Mundwinkeln dringt und gewinnt langsam ihre

Fassung wieder. Sie war zu wild gewesen. Nächstes Mal würde sie kleiner

kreisen.



Identität

Es ist Nacht in der Plastikfabrik. Die Polymere heulen, sie haben das

Tageslicht aus den Augen verloren. ''Personalausweise sind auch aus Plastik'',

denkt sich Hermann Wucherer im stillsten Hirn. In seinem Hirn können sich

die Gähne nicht gescheit entfalten, weil die Identität dort so eingebrannt ist.

Das sieht man aber nicht gleich.



Kopffüßler

Die phosphorisierenden Kopffüßler sind durch pararadioaktive Isotope

stimuliert. Im vollen Mund, im unschuldigen Tee geboren, leben sie ganz im

Kopf. Sie haben keinen Hals, der bloß stören würde - alles andere ist

scheinflüssig. Wenn wie die Spannkraft der versteinerten Lava die Kraft ihrer

verborgenen Unscheinbarkeit ins Geschehen eindringt, so macht sich bei

ihnen der Geruch eines schon lange verstunkenen, drodelnden Schwefels

bemerkbar. Die Kopffüßler werden verdächtigt, ihn verstoffwechselt zu

haben. Kommende Generationen werden das andersartige Aussehen der

Kopffüßler unter Beweis stellen. Statt Füße werden die Kopffüßler dann aber

nur noch Händel austragen.



Leere

Der neuste Schrei dringt durch den Bahnhof zum Hafen: ''Ich bin tot, also bin

ich!'' Hilde hatte sich zwischen Brücken und Treppen verlaufen und war

gefangen in der unendlichen Leere ihrer Hände. Warum starrte sie ihre

Hände auch die ganze Zeit an? Andererseits: Was hätte sie in ihrem Zustand

sonst tun sollen?



Ohr

Der Fort im Himmel, das Schlummerlied und sie kommen am Tage zum

Glockentonmeer gelaufen. Sein Rauschen silbern und zeitergeben wagt gleich

gewesenen Schalen ein quellendes Träumen. Hervor im Land ruht still

sehend das Auge über den herbstkräftigen Nebel. Durch das Zauberband der

Berge gelehnt verläuft steigend eine schwebende Wand in noch süßlicher

Nacht. Stunden der flüchtigen Behältnisse schwingen synchron unter dem

Joch der Liebe, singender Worte. Schlafe fort, du Quelle des Wassers vom

Tage müd. Es klingt aus Achtung die Bläue des gewesenen Tages uralt ins Ohr

der Mutter. Gelassenheit.



Plastikfabrik

Hermann Wucherer inspiziert eine Plastikfabrik, um sich genetisch weiter-

zubilden. Dazu benötigt er unter anderem eine Uhr. Er vergewissert sich mit

ihr immer aufs Neue seinem Hang zum Leben. Der Chef der Fabrik begrüßt

ihn freundlich vor dem Firmenaltar. Hermann hat seinen Personalausweis

vergessen. Er braucht ihn auch nicht. Darum ist jetzt Mittagspause. Hier gibt

es nur Plastik und solches, was sich dafür hält. ''Wir sind alle sehr glücklich'',

singen die Polymere, denn sie praktizieren das positive Denken. Nur die

Sandkörner sind traurig, denn Hermann Wucherer übersieht sie nicht einmal

richtig.



Rekultmineralfrösche

Die Spuren von dem, was wir schon immer kannten, führt uns geradewegs zu

den weltbekannten Rekultmineralfröschen. Schon wird es Schonzeit, der Kult

hat gesiegt auf dieser Erde.



Spiegelbild

''Ausgesteuert im Schild versperrt'', atemlos versiegend spielt Erich mit

seinem Spiegelbild. Endlich erfahren wir etwas über die im Schwefel

drodelnden Steuererklärungen. Der Papiertiger schläft nicht, er ist wach. In

sanfter Grausamkeit leuchten seine Augen in den Holocaust hinein. Viel mehr

ist nicht drin im Magen, so dass er de facto Hunger hat. Doch das

Bewusstsein bleibt hart und somit ungenießbar. Das sanfte Lamm ist

fortgegangen.



Der steinerne Turm

Wir befinden uns in einer Hügellandschaft. Es gibt keine Bäume, Sträucher

oder sonstige Vegetation. Alles ist ockergelb und still. Nur einige blaue und

wenige rote Schmetterlinge flattern umher. Da es für sie keine Nahrung gibt,

müssen sie unsterblich sein. Wo kommen diese Schmetterlinge her? Sie

müssen schon existiert haben, bevor diese Landschaft entstand. Am

Holocaust strahlen die radioaktiven Sonnen.



Ein steinerner Turm läuft auf und ab. Vor dem Turm taucht eine Tafel auf,

deren Inschrift lautet: ''Die Welt ist ein Stück Brot'', und die Tafel

verschwindet wieder. Der Turm ist verwirrt. Seit Tagen irrt er hier umher.

Er hat sich verlaufen, denn eigentlich will er zum Meer, um dort ein Boot zu

nehmen, welches ihn auf die Insel bringen soll, auf der sich, wie er gehört hat,

der Lärmkrater befinden soll. Doch hier ist kein Wasser.



Plötzlich hört er sanft klingende Musik an sein Ohr dringen. Als er näher

hinlauscht, verschwimmen seine Sinne. Er wacht in einem prächtigen,

lichtvollen Garten auf. Von ferne hört er das Meer rauschen, doch er stellt

fest, dass er körperlos und somit unbeweglich geworden ist. Er hat das Meer

gefunden, aber weiter kommt er nicht.



Turmschenke

Die Turmschenke ist laut Anschlagtafel das gehobene Establishment für

abgehobene Insider, die das Universum von außen betrachten wollen.

Außerhalb des Universums, das darf als gesichert gelten, gibt es eigentlich

nur Schmetterlinge, einige blau, einige rot, und alle knabbern am

Brotuniversum. Insgeheim hält man die Turmschenke für die Schwester des

Restaurantschiffs.



zaffen

Bebärtigt zeigt sich gewachsen dem Haar das verfinsterte Gesicht von Erich,

dem Chefarchetypen mit blondem Teint. ''Zaffen zieh zich app!'' In der

Kindheit hatte man ihm oft auf die Zunge gebissen, auch die Lunge ein wenig

gedrückt. Er ist heute Bürokrator in einem angesehenen Großhandels-

unternehmen, wo auch Mrs. Benson arbeitet, die ihre zwei Töchter und drei

Söhne mit dem Kastenschießer gegen die inneren Feinde züchtigt.



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