Rotkäppchen und der böse Schriftsteller (von Perplexity)
Neutraler Schriftsteller Es war einmal ein liebes Mädchen, das alle gern hatten, besonders seine Großmutter. Die schenkte ihm ein rotes Samtkäppchen, weshalb das Mädchen Rotkäppchen genannt wurde. Eines Tages gab die Mutter Rotkäppchen Kuchen und Wein mit zur kranken Großmutter und bat es, dabei auf dem Weg zu bleiben und sich nett zu benehmen. Im Wald traf Rotkäppchen den Wolf, der sie listig nach dem Weg zur Großmutter fragte. Während Rotkäppchen Blumen pflückte, lief der Wolf voraus, verschlang die Großmutter, zog ihre Kleider an und legte sich ins Bett. Rotkäppchen kam bei der Großmutter an, wunderte sich über ihr seltsames Aussehen und entdeckte schließlich den Wolf. Der verschlang auch sie, schlief dann tief und schnarchte laut. Ein Jäger hörte das Schnarchen, schnitt dem schlafenden Wolf den Bauch auf und befreite Rotkäppchen und die Großmutter. Sie füllten den Wolf mit Steinen, sodass er tot umfiel. Alle waren froh, die Großmutter erholte sich, und Rotkäppchen versprach, nie wieder vom Weg abzugehen. Später versuchte ein anderer Wolf, Rotkäppchen vom Weg abzubringen, scheiterte aber. Die Großmutter lockte ihn mit heißem Wasser aus einem Wurstkessel, das er zu schnuppern versuchte, rutschte vom Dach und ertrank. Rotkäppchen blieb unverletzt und ging glücklich heim.
Daniel Glattauer Rotkäppchen war das Mädchen, das jeder gern hatte. Am liebsten die Großmutter, die ihr ein rotes Samtkäppchen schenkte – und fortan nannte man sie eben so. Als die Mutter ihr eines Tages Kuchen und Wein mitgab für die kranke Großmutter, mahnte sie streng: „Bleib auf dem Weg und benimm dich anständig!“ Im Wald, da traf Rotkäppchen den Wolf. Ein schlauer Kläffer, der sich besonders dafür interessierte, wohin das Mädchen gehen würde. Während sie Blumen pflückte, schlich er sich voraus zur Hütte, verschlang die Großmutter – und nahm sich ihr Aussehen. Im Bett lag der Wolf, maskiert und geduldig. Rotkäppchen kam, sah „die Großmutter“ – und merkte erst nach und nach, dass etwas nicht stimmte. „Was hast du für große Augen,“ flüsterte sie, „damit ich dich besser seh!“ Der Wolf lachte nicht; er verschlang auch das Mädchen und schlief dann ein, schnarchte laut vor sich hin. Ein Jäger, der das laute Schnarchen hörte, kam herein, schnitt dem Riesen den Bauch auf und befreite die beiden. Den Wolf füllten sie mit schweren Steinen; der fiel tot um. Die Großmutter wurde wieder gesund, Rotkäppchen versprach, niemals mehr vom Weg abzukommen. Später nahm ein anderer Wolf es noch einmal mit Rotkäppchen auf. Doch er scheiterte kläglich: Mit heißem Wasser lockte ihn die Großmutter aus dem Haus – vom Dach rutschte er, fiel in den Wurstkessel und ertrank. Rotkäppchen blieb heil, ging froh nach Hause und wusste: Der Weg ist das Ziel. Franz Kafka Ein Mädchen, das ein rotes Käppchen trug, war eingehüllt in eine eigenartige Mischung aus Liebe und Fürsorge, besonders jener der Großmutter. Diese Gabe, das rote Käppchen, wurde zum Zeichen, mit dem das Mädchen bezeichnet wurde – ein Name schwer wie eine Last, ein unentrinnbares Zeichen. Die Mutter gab ihm einen Auftrag, eingebettet in die strengen Anweisungen, auf dem Pfad zu bleiben, als ob der Weg selbst eine Grenze wäre, hinter der das Unbehagliche lauerte. Im finsteren Wald, dessen Dunkelheit und Schatten wie eine unsichtbare Klaue alles Leben umschlossen, begegnete das Mädchen dem Wolf – nicht einfach ein Tier, sondern eine schlummernde, heimtückische Macht. Der Wolf fragte nach dem Weg, seine Stimme ein zischelndes Versprechen, durch das der Wald nicht nur Raum, sondern auch Verlockung wurde. Während es Blumen pflückte, unbedarft und doch gefangen in einem Netze aus Erwartung, glitt der Wolf voraus, verschwand in den Tiefen und erschien bald verkleidet – ein groteskes Abbild der Großmutter, in die Fallen des Hauses gelegt. Das Mädchen kam an; Zweifel und Furcht stiegen wie Rauch, woben sich um ihr Herz, als das seltsame Wesen im Bett lag – kein Schutz, sondern Bedrohung. Die Enthüllung war gnadenlos: ein Schlund, der verschlang und erstickte, die Welt verschlingend in Dunkelheit und Schlaf. Der Wolf schnarchte, und das Schnarchen wurde zu einem dumpfen Pulsieren des Schicksals. Ein Jäger trat ein, ein Fremder, dessen Hand ein Messer führte, zerschnitt den Bauch des Wolfes und befreite die Gefangenen – wie ein Akt der Gnade oder Verzweiflung. Der Wolf wurde mit Steinen gefüllt, schwer und tot, ein Monument der Überwindung. Die Großmutter erholte sich, das Mädchen schwor, den Pfad nicht zu verlassen, als ob das Gehen auf festem Grund allein Schutz böte. Doch der Wald atmete weiter, und ein anderer Wolf versuchte sein Spiel, scheiterte jedoch an der List der Großmutter, die mit heißem Wasser lockte – eine Falle, grausam und absurd zugleich. Der Wolf, geblendet von Verlockung, fiel und ertrank, als wäre das Ende ein Spiegelbild des Anfangs: unfreiwillig, endgültig, surreal. Das Mädchen blieb unverletzt, doch das Glück, das es umgab, war ebenso zerbrechlich wie der dünne rote Faden, der es mit seiner Herkunft verband.
Bertolt Brecht
Ein
Mädchen gab es, das man mochte,
Die
Mutter sprach: „Trag Kuchen und Wein,
Im
Wald trifft’s den Wolf,
Rotkäppchen
kommt, sieht das seltsame Wesen,
Ein
Jäger hört das Schnarchen,
Die
Großmutter lebt,
Ein
neuer Wolf kommt,
Rotkäppchen
bleibt heil, kehrt froh heim—
Goethe Es war ein holdes Mädchen, dessen Herz so rein und lieblich schlug, dass selbst die alte Großmutter es inniglich verehrte. Die Großmutter gab ihm ein Sammetkäppchen, rot wie die Morgenröte, und so ward es genannt: Rotkäppchen. Einst sandte die Mutter das Kind mit Kuchen, mit Wein an die kranke Großmutter, und ermahnte es, auf dem Pfad zu bleiben und sich ehrbar zu zeigen. Im tiefen Wald traf Rotkäppchen den list'gen Wolf, der mit Glut in seinen Augen sanft die Richtung erfragte. Während das Kindlein Blumen pflückte, schlich der Wolf hinweg, eilte zur Hütte, verschlang die Gebrechliche, nahm ihre Kleider an und ruhte sich im Bette aus. Rotkäppchen trat ein, wunderte sich über das fremde Antlitz der Großmutter, bis der trügerische Wolf seine Gestalt offenbarte und sie verschlang. Bald schnarchte der Böse tief und fest, betäubt vom Mahl. Da hörte ein Jäger das dumpfe Schnarchen, durchtrennte die Bauchhöhle des schlafenden Unholds und befreite die Eingeschlossenen. Sie füllten den Wolf mit schweren Steinen, so dass er den letzten Atem verlor. Frohlockend kehrten sie heim; die Großmutter erlangte Heilung, und Rotkäppchen gelobte, künftig nie mehr vom rechten Wege abzuschweifen. Doch ein anderer Wolf, von dunkler List erfüllt, versuchte bald das Mädchen von seinem Pfad zu ziehen. Doch vergebens! Die Großmutter, klug und mutig, lockte ihn mit heißem Wasser aus ihrem Wurstkessel. Gleich trank er den verführerischen Duft, verlor den Halt vom Dache, und ertrank. So blieb Rotkäppchen unverletzt, und glücklich schritt sie heimwärts durch den sonnigen Wald.
Rudolf Steiner In jenem Bilde des Daseins, da ein liebes Kind auf Erden wandelte, zeigte sich das innere Wesen in Gestalt eines roten Samtkäppchens, das von der Großmutter als Gabe der Fürsorge umwoben war. Dieses Kind, durch die Mutter mit Gaben für die kranke Großmutter ausgestattet, trägt die Aufgabe, den Lebenspfad treu zu bewahren, sich nicht zu entfernen von der rechten Bahn, denn jenes Wandeln ist symbolisch für den inneren Lebensweg. Im geheimnisvollen Wald, dem Urgrund des irdischen Seins, begegnet das Kind dem Wolf – Sinnbild der Versuchung und des dunklen Triebes, der das reine Herz zu verführen sucht. Während das Mädchen der Schönheit der Blumen nachhängt, entfaltet sich das Wirken des Wolfes in seiner heimlichen List: Er verdrängt das alte Weib, das die Weisheit in sich birgt, und nimmt dessen Hülle an, um das Kind im tiefsten Innern zu bedrohen. Doch die Erkenntnis, das Licht des Bewusstseins, durchdringt die Verwandlung; das Kind erkennt das Verhüllte, und mit dem Erscheinen des Jägers – dem aktiven, rettenden Geist – wird die Wahrheit wiederhergestellt und die ursprüngliche Ordnung erneuert. So wird die dunkle Kraft durch das Steinige, das Harte, gebannt und der Lebensweg bewahrt. In der erneuten Prüfung erscheint ein weiterer Wolf, doch hier triumphiert die Wachsamkeit der Großmutter, Symbol der erfahrenden Weisheit, die das Dunkel entlarvt und in der einen Urgewalt des heißen Wassers auflöst. Das Kind bleibt unverletzt, weil es gelernt hat, den Pfad des Geistes mit Achtsamkeit zu beschreiten und sich nicht von der Wahrheit abbringen zu lassen. So offenbart sich in dieser Fabel die tiefere Wahrheit des menschlichen Strebens: Das Bewahren des inneren Weges trotz Versuchung, die Macht der Erkenntnis über die dunklen Mächte, und die heilende Kraft der Weisheit, die ins Leben zurückführt.
Christian Morgenstern
Es
war ein Mädchen, lieb und hold,
Die
Mutter sprach mit sanftem Klang:
Im
Wald, da sprach der Wolf ganz schlau:
Er
fraß die Alte, zog ihr Kleid,
„Großmutter,
was hast du für große Ohren!“
Ein
Jäger hörte schnarchend schwer,
Die
Großmutter gesund und froh,
Ein
neuer Wolf versuchte List,
Hermann Hesse Es war ein Mädchen, zart und lieb, das in der Stille seines Herzens ein rotes Samtkäppchen trug – ein leuchtender Punkt in der grünen Welt des Waldes. Die Großmutter, voller sanfter Liebe, schenkte es ihm, und so hieß man es Rotkäppchen. An einem Tag, an dem Sorge die Mutter trieb, legte sie ihrem Kind Kuchen und Wein in die Hände, wohl wissend um die Krankheit der Großmutter, und mahnte es, den Pfad nicht zu verlassen, so oft die Schatten zwischen den Bäumen tanzten. Doch der Wald, von geheimnisvollem Leben erfüllt, öffnete seine verborgenen Tore, und da kam der Wolf, schlau und still, ein Spiegel der Natur selbst, die niemand zu bändigen vermag. Er fragte nach dem Weg, und Rotkäppchen, ahnungslos und voller Neugier, pflückte Blumen am Rande des blassen Pfades, während der Wolf vorauszog wie ein dunkles Warten. In der Hütte der Großmutter, wo Krankheit und Alter die Luft schwer machten, verbarg sich das Unheil in eines Wesens Gestalt, das die Großmutter verschlang. So legte es sich ins Bett, erdacht und wahr zugleich, ein Schatten inmitten der Geborgenheit. Rotkäppchen trat ein, Auge in Auge mit dem Fremden, dessen Maske bröckelte im Licht der Ahnungslosigkeit. Doch auch sie wurde verschlungen von der Natur der Gefahr, und der Wolf sank in einen tiefen Schlaf, schnarchend wie die Erde selbst, durchdrungen von der Stille nach dem Sturm. Ein Jäger, der Wegeretter und Wächter, hörte das Schnarchen des eindringlichen Waldes und schnitt den Leib des Dunkels auf. Aus seinem Bauch trat das Leben zurück, Großmutter und Enkelin, vom Tod verschont. Mit Steinen gefüllt, sank das Tier, schwer und endgültig, wie das Ende einer dunklen Nacht. Das Mädchen lernte vom Wald, vom Pfad und von sich selbst, dass man allein nicht wandeln darf zwischen den Dämmerungen des Lebens. Später, als ein weiterer Wolf sein Glück versuchte und die Großmutter mit heißem Wasser auf dem Dach ihn berührte, wurde der Kreislauf der Natur vollendet – der Wolf stürzte, versank und das Licht blieb ungebrochen. Rotkäppchen ging heimwärts, in ein Leben, das reicher war an Weisheit und dem stillen Wissen, dass jeder Pfad, den man wählt, bewacht wird von dem, was man in sich trägt.
Otto Walkes Also, pass auf: Da war mal so’n liebes Mädel, das alle dolle mochten – vor allem die Oma, ne? Die Oma schenkt dem Mädel ’n knallrotes Samtkäppchen, drum heißt das Kind halt Rotkäppchen. Eines Tages schickt die Mutter das Rotkäppchen mit Kuchen und Wein zu der kranken Oma und sagt so: „Bleib schön aufm Weg und benimm dich, sonst gibt’s Ärger!“ Im Wald trifft unser Rotkäppchen ‘nen Wolf, der voll schlau fragt, wo die Oma wohnt. Während Rotkäppchen gemütlich Blumen pflückt – na klar, Blumen sind ja sooooo wichtig – läuft der Wolf flink voraus, frisst die Oma in einem Happs, zieht ihr Nachthemd an und kuschelt sich ins Bett. Rotkäppchen kommt an, guckt so und denkt: „Boah, Oma, du siehst aber komisch aus!“ Und zack, der Wolf springt raus, frisst das rote Mädel auch auf, macht dann ’nen Schönheitsschlaf und schnarcht wie’n Bär auf’m Campingplatz. Dann kommt ’n Jäger vorbei, hört das Getröte, macht ’nen Bauch auf beim Wolf, befreit Oma und Rotkäppchen aus dem Muffelmonster-Bauch und stopft den Wolf mit Steinen voll, bis der plumpst wie ’ne nasse Socke um. Alle sind happy, Oma wird wieder fit und Rotkäppchen schwört: „Nie mehr vom Weg abkommen!“ Später versucht noch ’n anderer Wolf, Rotkäppchen abzulenken, aber Pustekuchen! Oma macht den heißesten Wassertrick aus’m Wurstkessel, der Wolf schnuppert, verliert den Halt auf’m Dach und macht ’nen unfreiwilligen Badegang. Rotkäppchen geht fröhlich nach Hause – und das, meine Damen und Herren, ist die Geschichte vom Rotkäppchen, das mehr Pech für die Wölfe hatte als ’ne Katze am Sonntag!
Clarice Lispector Ein Mädchen, das alle liebten, trug ein rotes Käppchen, das die Großmutter ihm schenkte, fast wie ein Zeichen, das auf seiner Haut lag, auf seiner Seele. Der Körper ging voran, die Schritte getragen von einer unsichtbaren Melodie. Kuchen und Wein – Gaben der Mutter – lagen in seinen Händen, schwer durch die Bedeutung. Im Wald, dort, wo das Licht zersplittert zwischen den Blättern, begegnete es dem Wolf. Seine Stimme war Sanftheit, doch in ihr schwang eine Wahrheit, die nichts verriet. Während Rotkäppchen Blumen pflückte, flauschige Farben einfing, war der Wolf bereits fort, verschlang die alte Frau, vermischte sich mit ihrer Hülle, wurde zum Schatten unter Decken. Rotkäppchen kam, und ein Zweifel legte sich auf ihre Stirn. Etwas war fremd, zerrissen, falsch. Der Wolf, gekocht vom Verborgenen, entblößte sich – ein Mahl und zugleich eine Falle. Stille füllte den Raum, das Schnarchen war wie ein dunkler Fluss. Ein Jäger, ein Rettender? Oder nur ein weiterer Atemzug der Welt? Er öffnete den Bauch des Schlummers, befreite Leben aus der Bleigewicht-Haut, füllte das Nichts mit Steinen, bis das Schweigen zerbrach und der Wolf fiel. Sie waren froh. Die Großmutter atmete leise neu. Rotkäppchen lernte, den Weg zu ehren, dass das Abweichen Stille bringt. Doch der Wald kennt viele Schatten. Ein anderer Wolf kam, suchte nach der gleichen Melodie im Mädchen, wurde von Feuer und Wasser vertrieben, fiel in den Tod, ertrank in den Geräuschen, die niemand hörte. Rotkäppchen blieb – ein rotes Flüstern, ein Versprechen, ein Licht im Ganzen, das geht und sich nicht verliert.
Lewis Carroll
Es
war einmal ein Mädchen so hold und fein,
Die
Mutter sprach: „Bring Kuchen und süßen
Wein,
Da
hüpfte hervor ein Wolf mit listigem Blick,
Er
verschlang die alte Dame mit einem Schluck,
„Ach,
Großmutter, was hast du für große Ohren
da?“
Doch
kaum ward es gewahr, es war kein Apfel so weich,
Er
befreite Freundinnen aus dunkler Gefahr,
Doch
siehe, ein Wolf, zweiter Art und Witz,
Ertrank
in den Wellen, Rotkäppchen blieb heil,
Jonathan Edwards Ein süßes Mädchen ward gesegnet mit der Liebe vieler, vor allem der Großmutter, die ihm ein rotes Samtkäppchen schenkte – ein Zeichen seiner Unschuld und Gnade Gottes. Dieses Kindlein, getauft im Namen des Himmels, empfing von der Mutter Gabe und Auftrag: Kuchen und Wein zur kranken Großmutter zu bringen, den Pfad nicht zu verlassen, auf dass kein Übel es fange. Im finstren Walde, einem Ort der Versuchung und des Bösen, begegnete das Kind dem Wolf, einem listigen Werkzeug der Sünde. Während das Kind sich in den Blumen des Irdischen verlor, vollzog der Wolf seinen heimtückischen Plan: er eilte voraus, verschlang die hilflose Großmutter – ein Bild der Macht des Teufels, der Seelen zu verschlingen sucht – und legte sich in deren Kleidern zum Trugbild des Glaubens ins Bett. Rotkäppchen, unschuldig und ahnungslos, näherte sich der gottlosen Gestalt, erkannte der bösen Täuschung Zeichen und erlitt das gleiche Schicksal: verschlungen von der Gottlosigkeit. Doch siehe, der Herr erhörte ihre Not: ein Jäger, ein Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit, durchtrennte den Leib des Unholds, befreite die Gefangenen, füllte den Leib des Bösen mit schwerem Stein – ein Sinnbild der göttlichen Strafe – und so fiel der Wolf tot zu Boden. Dankbarkeit und Umkehr folgten: Rotkäppchen gelobte, auf Gottes Pfad zu bleiben, nicht mehr dem Fleisch und den Begierden zu folgen. Doch der Teufel gibt nicht nach; ein weiterer Wolf versuchte es erneut, doch ward überwunden durch Weisheit und göttliche Vorsehung. Die Großmutter, die gottesfürchtig und klug, lockte den Feind in den Tod, wo er im Wasser ertrank, dem im Geist des Verderbens Entgegentreten. So bleibt das Kind unversehrt, ein Bild der göttlichen Rettung und des wahren Glaubens, der in der Versuchung standhält und am Ende belohnt wird. Amen.
Karl ValentinEs war einmal ein Mädchen, das war so lieb, dass sogar die Großmutter – und die ist ja bekanntlich nicht auf den Kopf gefallen – ihr ein rotes Käppchen schenkte. „Rotkäppchen“, sagten alle, weil's rot war. Dass man bei so 'nem Namen natürlich auf dem Weg bleiben soll, das wusste auch die Mutter – Kuchen und Wein gab sie der Kleinen mit und sagte: „Bleib brav auf’m Pfad, sonst gibt’s was!“ Auf dem Weg im Wald trifft’s den Wolf. Der Wolf fragt: „Na, wo geht's denn hin?“ Rotkäppchen pflückt Blümchen, denkt sich nichts dabei. Wolf aber geht schnell voran, schluckt die Großmutter, zieht ihr Kleid an – und legt sich ins Bett. So ein Schlawiner. Rotkäppchen kommt, guckt: „Oma, was hast denn für große Augen?“ Antwort vom Wolf: „Damit ich dich besser sehen kann!“ – „Was hast für große Ohren?“ – „Damit ich dich besser hör’n kann!“ Und dann, schwupp, will der Wolf Rotkäppchen schnappen, schluckt sie auf wie’s Dessert. Danach schnarcht er, dass man denkt, es kommt ein Orchester. Ein Jäger hört das Schnarchen, denkt sich: „Da wird was faul sein.“ Er schneidet dem Wolf den Bauch auf, befreit Großmutter und Rotkäppchen. Die stopfen dem Wolf Steine rein, der fällt tot um – so geht’s, wenn man zu viel Frisst. Später taucht noch 'n Wolf auf, will’s nochmal probieren. Großmutter aber hat heißes Wasser im Kessel, lockt ihn aufs Dach. Der schnuppert, rutscht aus, plumpst rein in den Wurstkessel und ertrinkt. Rotkäppchen bleibt heil, geht heim und sagt: „Niemals vom Weg abkommen!“—so bleibt’s schön brav, und der Wolf hat Feierabend.
Das Mädchen, von dem hier die Rede ist, war lieb und rotes Käppchen trug es, ein Geschenk der Großmutter. Dies mag simpel klingen, doch was sich daraus entfaltete, entbehrte nicht einer gewissen Dramatik. Die Mutter schickte es mit Kuchen und Wein zur Kranken, warnte vor Ablenkungen. Im Wald begegnete es dem Wolf – listig und verschlagen, der sie nach dem Weg fragte, um sich Vorteile zu verschaffen. Während Rotkäppchen Blumen sammelte, eilte der Wolf der Großmutter voraus, verschlang sie und nahm ihre Gestalt an. Rotkäppchen selbst wurde ebenfalls von ihm verschlungen, was wohl als Metapher für die Gefahren des Lebens gelesen werden kann. Ein Jäger rettete sie und tötete das Raubtier. Ein zweiter Wolf scheiterte an Großmutters List und ertrank. Moral: Unbedachtes Abweichen vom Pfad kann fatale Folgen haben, die Klugheit und Tapferkeit jedoch bewahren uns.
Arno Camenisch Es gibt’s eues Mädle, liebs war’s, vor allem für d’ Grossmutter. Die gab ihm es rotes Samtkäppchen, drum heisst es grad so. Eines Tags nimmt d’ Mutter ihm Kuchen und Wein mit zur kranke Grossmutter und sagt: „Blib ufem Wäg, benimm di guat“. Im Wald trifft’s ufnen Wolf, vo de er mordsmässig schlau usgfragt wird. Während’s Blüemli pflückt, rennt dr Wolf vorus, frisst d’ Grossmutter, zieht ihre Kleid a und macht sichs bequem im Bett. Rotkäppchen kommt, wunderts sich über die komische Grossmutter, entdeckt’s Biest und wird selber verschluckt. Aber dr Jäger hört’s Schnarchen, schneidet dr Bauch uf, rettet sie und stopft dr Wolf mit Steine voll. Später probiert no es ander Wolf s’Mädle vom Weg z’bringe, aber Grossmutter macht ihm mit heissem Wasser e Strich dür d’Rechnung. Der Wolf glitscht vom Dach und geht baden. Rotkäppchen kommt heim, unversehrt und glücklich.
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